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Adam Ries (1492 – 1559) zählt zu den bedeutenden deutschen Rechenmeistern, vermochte er doch wie kein anderer die als schwierig geltende Mathematik dem „gemeinen Mann“ verständlich zu machen, so dass „ein jeder die Rechenkunst mit Lust und Fröhlichkeit begreifen“ konnte. Sein bekanntes in Deutsch verfasstes Lehrbuch Rechenung auff der linihen und federn ... , das sowohl das Rechnen auf dem Rechenbrett wie auch das Ziffernrechen umfasst, wurde bis ins 17. Jahrhundert über 120-mal aufgelegt und avancierte damit zu einem Bestseller der frühen modernen Mathematik.
Weniger bekannt ist, dass Ries – seit 1522/23 im erzgebirgischen St. Annaberg sesshaft und eine private Rechenschule betreibend – auch öffentliche Ämter im Bergbau ausübte: als Rezessschreiber, als Gegenschreiber wie auch als Zehntner. Als „Bergmann von der Feder“ genoss er damit das Vertrauen des sächsischen Landesherren.
Die Schrift gibt einen Einblick in die Spezifik der jeweiligen Ämter und deren vielfältige Aufgaben.
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob ADAM RIES (1492-1559) auch ohne seine Tätigkeit im erzgebirgischen Bergbau zu jener Größe aufgestiegen wäre, die es rechtfertigt, ihn zu den Riesen an Denkkraft, Leidenschaft und Charakter, an Vielseitigkeit und Gelehrsamkeit zu zählen, mit denen FRIEDRICH ENGELS (1820-1895) die Epoche der Renaissance so treffend beschrieb. Unzweifelhaft verkörpert der vormalige „Zahlenhexer vom Römerberg“ – so sein ehrender Nimbus aus der Frankfurter Zeit – ein außergewöhnliches Maß an Begabung, so daß es legitim scheint, ihn mit solchen hervorragenden Köpfen zu vergleichen, die wie auf ein Zeichen hin auf der ganzen Welt erwachten (ERASMUS) und mit Leidenschaft und Kraft in die Entwicklung der Menschheit einzugreifen wußten.
Innovationen und technischer Fortschritt sind symptomatisch für diese Zeit, die sich aus den Fesseln der Scholastik und des kirchlichen Dogmas befreien kann; bald gewinnt das Baconsche Credo „Wissen ist Macht“ an Schärfe und ermutigt zum Fortschritt. Und die Bilanz ist großartig: die Erfindung des Buchdrucks durch GUTENBERG (1400-1468) oder die Entdeckungsfahrten eines KOLUMBUS (1451-1506) und eines DA GAMA (um 1467-1524), die Befruchtung der wissenschaftlichen Erkenntnis durch COPERNICUS (1473-1543), BRUNO (1548-1600) und GALILEI (1564-1642), die genialen Ideen eines LEONARDO DA VINCI (1452-1519). Auch Geistesriesen wie ERASMUS VON ROTTERDAM (1467-1536), MARTIN LUTHER (1483-1546) oder PHILIPP MELANCHTHON (1497-1560) sind zu nennen, eröffnen sie doch dem l uomo universale, dem „allseitigen Menschen“, neue Lebensinhalte und Perspektiven, prägen den Geist der neuen Zeit, so daß sich Kunst und Literatur, Philosophie und Wissenschaft endlich frei entfalten können. Das Studium der Humanität und das vollkommene Menschliche geraten zum wichtigsten Anliegen dieser epochalen Bewegung. Mit dieser verändern sich auch Soziales und Ökonomisches in entscheidendem Maße, neue gesellschaftliche Kräfte freisetzend und aktivierend.
Was Wunder, daß der einzigartige „Silberne Boden“ des Erzgebirges, der zu jener Zeit in die zweite Hauptperiode der Bergbaus eintritt, neben Bergkundigen auch Künstler, Gelehrte und Humanisten anzieht, die – der Faszination baldigen Reichtums erlegen – hier ihre neue Heimat finden und in dieser dauerhaft und kenntnisreich wirken. Auch ADAM RIES, längst nicht mehr der „Zahlenhexer vom Römerberg“ seiner Frankfurter Zeit, sondern schon gestandener Rechenmeister und Buchautor, wagt den Schritt und wird hier seßhaft. Ob er mit der okkulten Macht seiner Zahlen auch den „Geistern des Berges“ zu gebieten gedachte, bleibt offen; auf jeden Fall sicherten sie zwischen Zubuß und Ausbeut für die zweite Hälfte seines Lebens sein täglich Brot und machten ihn über die Grenzen seines Landes hinaus berühmt.